Ruprechtskraut

Lebenskünstler im Blumenkasten

Sarah

Pflanzen für den Blumenkasten draußen auf der Fensterbank vorm Küchenfenster, nur etwas Sonne und schnell mal vergessen. Mit dieser Anforderung konfrontierte ich den netten Mitarbeiter meiner Lieblingsgärtnerei, der aber schüttelte den Kopf: Ein Blumenkasten, den man vergisst zu gießen? Vielleicht … vielleicht, meinte er, vielleicht und allenfalls Mädchenhaar, das zarte Gras, das könnte Trockenheit ab und Schatten leidlich vertragen. Gekauft, gepflanzt – das Mädchenhaar gedieh und wedelte schön vor dem Fenster. Aber den Winter, die Zeit des Vergessens und damit Monate der Trockenzeit auf der Fensterbank überstand es nicht.

Also den Kasten im Frühjahr erstmal abgestellt irgendwo im Beet. Und dann das Wunder: er bepflanzte sich von selbst. Ruprechtskraut, der stinkende Storchschnabel, der sich eh in unseren Gärten hüben und drüben des Zauns wohlfühlt, hatte sich ausgesät und den Sommer über im Kasten  breitgemacht. Also: den Kasten wieder ab auf die Fensterbank und denselbigen zum Kasten des Jahres gekürt. Denn: Er grünt noch immer. Auch jetzt Ende November. Und das fast ohne Gießen.

Storchschnabel in all seinen Varianten ist zunehmend zum Star in den Gärten geworden, aber dieser mit seinem zarten Gefieder und kleinen rosa Blüten ist sowas von robust und kommt mit und in allen Ecken des Gartens zurecht – und damit ja schließlich auch mit mir. Deshalb bekommt er meine absolute Hochachtung.

Es gäbe jetzt viel zu erzählen über das Ruprechtskraut. Seine größte Besonderheit aber ist: Im Schatten sind seine Blätter dunkelgrün und in der Sonne tiefrot. Ein echter Lebenskünstler.

 

Die Zeichnung stammt übrigens aus dem hundert Jahre alten Büchlein „Waldblumen und Farne“ aus der Reihe „Sammlung naturwissenschaftlicher Taschenbücher“. Hab ich kürzlich auf dem Flohmarkt erworben. Ich zitiere wörtlich:

„Unsere Waldblumen und Farne. Von Dr. Ludwig Kleine, Geheimer Hofrat, Professor der Botanik an der Technischen Hochschule zu Karlsruhe. Mit 100 farbigen Tafeln nach den von Fräulein Margarete Schrödter nach der Natur gemalten Aquarellen.“